Sonntagmorgen. Das Handydisplay zeigt eine eigentlich viel zu frühe Uhrzeit an. Aber die Sehnsucht treibt mich raus aus dem warmen Bett. Mit nackten Füßen tapse ich über die kühle Treppe nach unten. Etwas zieht mich nach unten. Etwas wartet dort auf mich.
Ein wenig Anklage spüre ich schon auf mir. 31 Tage genau ist es her. Der letzte Blogbeitrag. Gefühlt wie einmal nach Narnia und zurück und gleichzeitig wie ein Wimpernschlag. Mein Blog wartet auf mich. Hoffe ich zumindest. In den letzten zwei Jahren hat sich bei mir einiges stark verändert. Ich habe unglaublich viel Zeit in meinen Blog investiert. Beruflich war ich unglücklich und nicht ausgelastet. Also habe mir selber Arbeit geschafften. Der Blog wurde meine Arbeit. Essen kaufen konnte ich mir zwar davon nicht, aber dafür ertippte ich mir mit jedem einzelnen Eintrag mehr Zufriedenheit. Da passierte etwas. Neue Leser. Feedback. Meinungsaustausch. Interesse. Mein erstes Baby.

Die Fotografie war bis dahin ein geliebtes Hobby. Nicht mehr. Ich glaube, ich habe es nicht einmal wirklich ernst genommen. Und mich wahrscheinlich am Allerwenigsten. Es war eben dieses andere zweite Baby. Aber eben nur für mich ganz alleine. Es tat mir gut, mit meiner Kamera umherzuziehen. Sie war mein ständiger Begleiter und ich glaube, ich hatte sie sogar um den Hals baumeln, wenn ich bei Aldi neues Toilettenpapier gekauft habe. Man weiß ja nie. Wie eine Selbstbeschäftigungstherapie habe ich meinen unruhigen Geist einfach ohne es zu merken immer mehr Beschäftigung gegeben. Und bin immer weiter reingerutscht – auch das ohne es zu merken. Man merkt so wenig von der Welt und sich selber. Werden wir irgendwann so klug sein und die Dinge vorher erkennen oder ändert sich unser Erkennen einfach nur gleichzeitig mit der Zeit?
Doch es hat nicht lange gedauert. Da wollte ich meine Aufnahmen nicht mehr nur für mich machen. Ich wollte sie für andere machen. Ein Porträt von einem Menschen und diesen glücklichen oder auch verwunderten Gesichtsausdruck zu sehen. Manchmal auch Enttäuschung. So sehe ich wirklich aus? Das bin ich? Das war es. Kein Selfie mit dem Handy. Ein echtes Porträt. Echte Fotografie. Das war es.
Raus aus meinem Schneckenhaus. Raus. Und so begann meine neue Lehrreise. Bis heute. Wahrscheinlich auch noch die nächsten Jahre. Doch das ist ok, die Richtung stimmt schon mal grob. Sage ich jetzt zumindest. Aber ihr wisst ja, dieses Erkennen ist so verdammt listig. Wer weiß, was ich in zwei Jahren erzähle.

Ich denke, das war der Moment, in dem ich Fotografin werden wollte. Natürlich war mein Kopf zu dem Zeitpunkt noch Lichtjahre davon entfernt das zu wissen. Ja man braucht Geduld im Leben. So vieles klärt sich dann eben doch hinterher. Aber ich mochte ohnehin die Bücher und Filme schon immer am Liebsten, die sich erst ganz zum Schluss aufgeklärt haben. Wenn dieser Aha-Moment kommt. Hat bei mir schon immer den größten Eindruck hinterlassen.
Und so wuchs mein Baby die letzten 3 Jahre. Im ersten ganz langsam, im zweiten, da bekam ich eine Vorstellung davon, dass ich das schaffen könnte. Und im dritten Jahr, da weiß ich: Es gibt sonst einfach nichts, was ich kann. Hinter nichts stehe ich so sehr, wie hinter der Wichtigkeit von Fotografie. Ich liebe es inzwischen sagen zu können, dass ich einen handwerklichen Beruf ausübe (Zu so etwas wird man mit einem bayerischen Abitur nicht erzogen).
Wenn es für mich einen wirklich großen Aha Moment gab (und das war genau genommen erst vor kurzem), dann weiß ich jetzt, was eines der wichtigsten und befriedigensten Arbeiten ist: Nämlich die, die man sieht. Abends hinter sich zu blicken und zu sehen, was man geschafft hat. Die unglücklichste Zeit meines Lebens hatte ich, als ich Tag für Tag aus einem Büro herauslief (eher rannte ich) und mir dachte, was zum Teufel ich eigentlich gemacht habe. Außer Unmengen Kaffee zu trinken, übermäßig oft auf die Toilette zu gehen, Facebookbenachrichtungen zu lesen (die mich nicht wirklich interessiert haben) und meine Arbeit unnötig in die Länge zu ziehen, um die vorgeschriebenen 8 Stunden voll zu kriegen.

Allerdings. So viel Ehrlichkeit muss sein. Ich arbeite jetzt deutlich mehr. Sehr viel mehr. Aber ich weiß wofür und das ist der Unterschied.
Und genau das ist auch die Moral von dieser kleinen Sonntagsgeschichte.
Wenn man das überhaupt so nennen darf. Und das ist die Suche nach etwas, was einen wirklich wirklich glücklich macht. Wenn ihr euch entscheiden müsst, zwischen genau dieser Sache und einer Runde auf der Couch liegen, der neusten Folge Gossip Girl, der neuen Eissommersorte von Häagen Dasz oder was auch immer. Dann muss sie auf Ersteres fallen. Nicht immer. Aber verdammt oft. Es ist vollkommen egal, ob ihr damit nun wirklich auch eure Miete bezahlen könnt oder es einfach nur für euch macht. Doch irgendwas muss jeder im Leben haben. Eben dieses Irgendwas. Es gibt dafür keinen besseren Namen. Zumindest gerade. Aber fragt mich doch nochmal in 3 Jahren.
Und Mama fühlt sich auch deutlich entspannter, nachdem sie ihr Gewissen nun endlich etwas bereinigen konnte.


Outfit
// Trenchcoat apricot – Sheinside // graue Röhrenjeans – Mango // hellgraue Wildlederstiefeletten – Deichmann (alt) // beiger Grobstrickpullover – H&M (alt) // Umhängetasche silber – Fritzi aus Preußen (via Zalando) //